So richtig will der Winter ja auch diese Saison nicht Einzug halten. Selbst in den Kammlagen des Bayerischen Waldes schimmern derzeit an einigen Stellen schon wieder unbedeckte Flecken aus der sonst üblichen geschlossenen Schneedecke. Für Skitourengeher, Langläufer und Schneeschuhgeher ist diese Nachricht weniger erfreulich, für reine Wanderer jedoch ein Segen. So lassen sich aktuell ohne besondere Winterausrüstung Touren bewältigen, die meist erst gegen Ende April begehbar sind. Selbst zwei fordernde Gipfel-Runden an einem Tag sind so möglich. (Fotostrecke am Ende des Artikels)
Es ist Sonntag, 28. Februar 2016: Das Wetter ist eher mäßig, bewölkt, keine Chance auf Sonne, Temperaturen um den Gefrierpunkt. Doch zumindest Regen und Schnee stehen laut iPhone-App nicht auf dem Programm – und die Fernsicht wird vielleicht wieder für den Rest entschädigen. Also halt doch schon am frühen Vormittag raus aus den Federn: Gipfelfreuden sorgen für die nötige Motivation.
Die Anfahrt zum Rachel: Zunächst geht’s mit dem Auto via Spiegelau zum Parkplatz Gfäll. Die im Winter rund um die Uhr befahrbare Straße ist mittlerweile zwar schon in einem desaströsen Zustand, man sollte aufgrund der vielen Schlaglöcher definitiv nicht schneller als 50 km/h fahren, aber Busse dorthin gibt’s nur in den warmen Monaten und als Ausgangspunkt für die Rundtour Auerhahn ist das Gfäll eben ideal. Vier Stunden sollte man einplanen, wenn man die große Runde über Rachelsee, -kapelle und -gipfel in Angriff nehmen will.
Der Weg zum Rachel: Ich entscheide mich, die längere Route schon bergauf einzuschlagen, das heißt ich starte in Richtung Osten gen Rachelsee. Der schmale Weg, zunächst durch urwüchsigen dichten Wald, beginnt recht flach und ist gut ausgetreten. Doch selbst neben der Spur trägt der Schnee aufgrund der kalten Temeraturen – und der nicht mehr allzu hohen Schneedecke. Nach dem See beginnt der schwierige und steile Teil der Tour, rund 400 Höhenmeter gilt es zu bewältigen. Dass man hierfür eine gewisse Kondition braucht, lässt auch ein Schild mit der Aufschrift „beschwerlicher Weg“ am Einstieg zur Gipfelroute erahnen. Trotzdem: Bei der aktuellen Schneelage, vor allem dessen Festigkeit, war der Aufstieg leichter zu bewältigen als im Sommer, wo sehr steiniges, gerölliges Gelände Trittsicherheit erfordert. Zurück geht es dann über das – derzeit geschlossene – Waldschmidthaus unterhalb des Gipfels, auf kürzestem Weg also. Kurz heißt in diesem Fall zwar auch recht abschüssig, doch auch hier erweist sich die feste, aber eben doch etwas federnde Schneedecke als guter Begleiter.
Höhepunkte der Tour zum Rachel: Weiter oben im Text war es ja schon angedeutet, der Rundweg Auerhahn hält – neben der beeindruckenden Waldlandschaft – drei Höhepunkte bereit. Da wäre zum einen der Rachelsee, ein Relikt aus der letzten Eiszeit und zugleich das einzige natürliche stehende Gewässer im Nationalpark Bayerischer Wald. Diesmal zeigt sich der mysthische Ort besonders glitzernd, dank mit Schnee überzogener Eisschicht. Vom Ufer aus genießt man einen tollen Blick auf das Gipfelmassiv und entdeckt – aufgrund der jahreszeitlich fehlenden Laubblätter – recht schnell die Rachelkapelle. Das kleine hölzerne Gotteshaus liegt auf einem Felsvorsprung, von den Sitzbänken am See gesehen rechts oberhalb der Wasseroberfläche. Nach etwa 150 Höhenmetern erreicht man das Gebäude, von dem man wiederum einen phänomelanen Blick auf den darunterliegenden Rachelsee hat. Und auch die Fernsicht lässt mich nicht im Stich. Oben ziehen zwar Wolken durch, auch im Tal liegt etwas Dunst, dazwischen offenbart sich jedoch ein Blick auf die komplette Alpenkette. Den erlebe ich auf dem 1453 Meter hohen Rachelgipfel (Titelbild) gleich noch einmal. Diesmal gibt’s aber auch die umliegenden Bayerwald-Gipfel, Lusen, Falkenstein, Arber, Brotjackelriegel und Co. obendrauf.
Tipp für den Rachel: Das vierte Highlight der Tour war diesmal die absolute Abgeschiedenheit. Bei eher mäßigem Winterwetter ist die lange Route über See und Kapelle meist wenig frequentiert. Diesmal begegnete ich sogar auf der kompletten Route bis zum Gipfel keiner Menschenseele, im Sommer hat man dieses Glück selten. Erst beim Abstieg liefen mir dann einige Wanderer nebst zwei Rangern über den Weg.
Ein Gipfel? Mir ist das an diesem Tag nicht genug – zudem fehlt auch noch die obligatorische Hütteneinkehr, die am Rachel derzeit leider nicht möglich ist.
Die Anfahrt zum Lusen: Nach dem Abstieg vom Rachel setzte ich mich also wieder ins Auto und steuere via Spiegelau die Nationalparkstraße an, biege in deren Mitte Richtung Waldhäuser ab. Am Parkplatz Waldäuser Ausblick ist dann wieder Schluss mit motorisierter Fortbewegung.
Der Weg zum Lusen: Aufgrund der doch Kondition fordernden ersten Tour des Tages, geht es für mich über den kürzesten Weg in Richtung 1373 Meter, so hoch ist mein Hausberg, der Lusen. Selbst wer beim Start schon ausgepowert sein sollte, länger wie 90 bis 120 Minuten dürften die meisten Freizeitwanderer nicht für den Aufstieg brauchen. Ich nehme die Variante über den – diesmal ebenfalls gut „gespurten“ – Sommerweg nebst Himmelsleiter. Vorher ist ein Stück – gesperrte – Straße bis zum – im Winter ebenfalls nicht per Auto erreichbaren – Parkplatz Waldhausreibe zurückzulegen. Der Sommerweg selbst startet dann sehr moderat. An der Glasarche, einer riesigen Installation aus Glas und Holz, beginnt es etwas steiler zu werden. Das allerletzte Stück ist dann nochmal kräftig ansteigend. Wo im Sommer fast säuberlich aufgereihte Granitsteine gen Himmel führen, ist im Winter eine steile, meist festgetrampelte Schneerampe, doch die finale Zwei-Gipfel-Motivation bewirkt heute Geschwindigkeitswunder. Und so ist auch das abschließende Teilstück über die teils schon wieder freigelegte steinige Bergkuppe kein Problem. Runter geht es dann über den Winterweg, der zunächst über das nur wenige Meter unter dem Gipfel liegende Schutzhaus führt, anschließend auf einem breiten und im Winter via Schneeraupe gewalzten Wanderweg gen Parkplatz Waldhausreibe, somit wäre der Rundweg Luchs komplettiert. Auf der gesperrten Straße geht’s zurück zum Auto.
Der Höhepunkt der Tour zum Lusen: Klar, eigentlich ist hier der Gipfel, die große Granithalde mit dem Rundumblick zu nennen – und auch die Glasarche ist eine genauere Betrachtung wert. Für mich ist es diesmal, nach einer guten Portion Wandern aber die Einkehr in der Hütte. Bei Bettina und Heinz schmeckt ja eigentlich alles prima, doch diesmal muss es der deftige Klassiker, das Lusen-Gröstl mit Kartoffeln, Speck, Spiegelei und Krautsalat sein, schließlich darf die Stärkung nicht zu kurz kommen. Wäre nicht Faszentzeit, gäb’s noch ein Lusenwasserl, einen milden Obstler aus der Region, obendrauf.
Tipp für den Lusen: Vor allem in der Übergangszeit zwischen Winter und Frühling kann die Himmelsleiter auf dem Sommerweg sehr eisig sein. Ein paar Spikes als Überzieher für den Wanderstiefel sollten daher immer im Rucksack sein. Alle, die den Weg bergab schneller absolvieren wollen, sei ein Schlitten ans Herz gelegt. Der Winterweg ist dank der guten Präperierung durch den Wirt meist bis in die ersten Frühlingswochen hinein als Rodelbahn nutzbar.
Natürlich lassen sich die beiden Gipfel auch unabhängig voneinander erleben, an verschiedenen Tagen, in verschiedenen Jahrezeiten. Im Sommer gibt es auch ein paar Möglichkeiten beide Berge ohne die Autofahrt zwischendurch zu verbinden. Doch dies soll nur ein kleiner Einstieg in die Welt der Nationalpark-Gipfel sein. Mehr dazu bald auf waldundwelt.de.
Fotostrecke: Zwölf Bilder der beiden Gipfel-Touren
Hinweis: Die Schneebedingungen können, vor allem in den Höhenlagen, auch im nahenden Frühling unberechenbar sein. Wenn es wärmer und/oder nässer wird, kann es sein, dass der Schnee nicht mehr so gut trägt. Dann wären eventuell doch am Rucksack befestigte Schneeschuhe ein zu überdenkender Gepäckmehraufwand.
Titelbild: Der Rachelgipfel
(Fotos: Gregor Wolf)
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